Montag, 30. August 2010

Liberal und Gläubig - Interview mit einem der Gründer des LIB

Passend zur Gründung des Liberal-Islamischen Bundes führten wir ein Interview mit Arne List, einem der Gründer. Als bisher unorganisierter säkularer Muslim, erschien ihm die LIB E.V. ein passender Verein, um seine religiösen Ansichten und sein Weltbild zu vereinen. Bericht über die Gründung.

Freiheitsliebe:Hi Arne List, du bist einer der Mitgründer des LIB e.V. Wie kam es dessen Gründung und welche Idee steckt dahinter?

Arne List: Der LIB gründete sich um Lamya Kaddor und Rabeya Müller herum, den beiden Autorinnen des "Kinderkorans". Lamya hat in ihrem Buch "Muslimisch, weiblich, deutsch" die Vereinsidee vorformuliert, und so war es nur folgerichtig, dass wir uns zusammengesetzt haben.

Die Idee ist, Muslimen eine Heimat zu bieten, die sich von keinem der bisherigen Islamverbände vertreten fühlen. Das mag teilweise mit deren konservativen Islamverständnis zu tun haben oder einer landsmannschaftlichen Ausrichtung. Es geht jedenfalls nicht um Abgrenzung von den anderen Muslimen, sondern um eine Bereicherung der Szene durch "Liberal-Gläubige". Damit ist nicht Beliebigkeit gemeint, sondern ein Pluralismus auf Grundlage unserer Verwurzelung in der deutschen Gesellschaft.

FL: Ein wichtiger Aspekt scheint auch die Anpassung der Religion an den sozialen Kontext zu sein, was genau kann man sich darunter vorstellen?

Arne List:Die Lebenswirklichkeit in Deutschland und anderen hochentwickelten Industrieländern unterscheidet sich ja von traditionelleren Gesellschaften in der sog. Islamischen Welt. Wir haben andere Formen der Arbeitsteilung und des Familienlebens. Nicht zuletzt haben wir unterschiedliche politische Systeme und als religiöse Minderheiten auch einen anderen Status.

Aber nehmen wir mal ein konkretes Beispiel, das Kopftuch. In der arabischen Welt hatte es sicherlich eine Schutzfunktion. Die hat es in unserer Gesellschaft so nicht mehr, im Gegenteil fällt eine Frau damit auf. Natürlich soll sie es tragen, aber sie tut es dann viel bewusster als eine Art Selbstverwirklichung in einer Welt, wo man sich auch anders entscheiden kann.

FL:Die Stellung der Frau in der Religion ist ein weiterer Punkt, der bei dem LIB einen hohen Stellenwert genießt. Die Idee, dass auch Imaminnen für Männer predigen können, stößt allerdings auf viel Kritik bei anderen Verbänden. Wie kommt es, dass ihr es trotzdem erlauben wollt?


Arne List: Ich sehe da keinen hohen Stellenwert, weil es dazu bisher noch keine Beschlusslage gibt. Dass Imaminnen auch vor Männern predigen, ist auch nicht das Problem, sondern das Vorbeten. Das stößt bei den allermeisten Musliminnen und Muslimen auf Ablehnung aus praktischen Gründen, denn der Vorbeter verbeugt sich ja mit dem Gesäß zur Gemeinde. Daher beten Frauen in der Regel auch hinter Männern. Es gab aber bereits Versuche in den USA, es so zu machen, und von daher kann es sein, dass es künftige Initiativen geben wird. Ich sehe darin aber nicht mein Hauptanliegen als Mann.

FL: Ein weiterer Unterschied ist auch die Tolerierung von gleichgeschlechtlichen Parnerschaften, wie reagieren die anderen Verbände darauf?

Arne List
: Mir ist bisher nichts zu Ohren gekommen, und es würde mich auch wundern, wenn die Islamverbände in Deutschland etwas gegen die bewährte Praxis der eingetragenen Partnerschaften sagen würden. Unlängst stellte sich Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hinter die Forderung nach einem Diskriminierungsverbot für Schwule und Lesben im Grundgesetz. Dem kann man sich nur anschließen. Dass ansonsten im Islam keine Homo-Ehe vorgesehen ist, sollte allerdings auch klar sein. Aber wer weiß, wohin die gesellschaftliche Entwicklung geht. Vieles, was wir heute haben, war früher undenkbar.

FL:Der Islamunterricht ist etwas, was es heute noch nicht gibt, aber vielleicht irgendwann eingeführt wird. Wie steht ihr zum Islamunterricht an Schulen und wie würdet ihr eine Einführung fördern?

Arne List:Islamunterricht gibt es bereits in verschiedenen Bundesländern, aber nicht als bekenntnisorientierten Unterricht, sondern als islamkundlichen. Aber das Hauptproblem ist, dass er nicht flächendeckend ist und so nur wenige muslimische Kinder und Jugendliche in den Genuss kommen. Für die Integration ist es wichtig, wenn die Eltern das Gefühl haben, sie können ihre Kinder getrost in den staatlichen Religionsunterricht schicken. Und natürlich ist dieser Unterricht auf Deutsch, was dabei hilft, den Islam als eine Weltreligion zu entdecken, die überall zuhause ist.

FL: Arne, wir danken dir für das Interview.
Das Interview wurde mit der Freiheitsliebe geführt und uns zur Verfügung gestellt.
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